Betreten verboten! Das alte Continental-Gelände in Hannover-Ahlem/Limmer
Wer kennt es nicht? Ein Schild mit den Worten "Betreten verboten", "Eltern haften für ihre Kinder" oder "Betreten auf eigene Gefahr" ziert die meisten gefährlichen Orte und es insgeheim ist klar: Jemand hat sich beim Aufstellen des Schildes etwas gedacht und es wird sicherlich seinen Grund haben warum es dort steht.
Nicht so auf dem alten Conti-Gelände in Hannover Limmer. Das Gelände scheint frei von Regeln und Gesetzen. Niemand übernimmt Verantwortung und Niemanden interessiert es, ob jemand beim Betreten des Geländes zu Schaden kommt.
1899, der hannoversche DAX-Gigant "Continental AG" (bis 1928 Hannoversche Gummiwerke Excelsior) beginnt an diesem Ort, Gummigemische zu produzieren. Das überaus geschichtsträchtige Unternehmen kann heute auf eine gute Kursentwicklung zurück blicken und ist mit seinen Dividendenzahlungen sicher auch die ein oder andere Investition wert. Seit 1999 liegt das ehemalige Produktionsgelände nun brach und hält als Parallelwelt für alle interessierten Abenteurer her, die der Magie der Überreste der Produktionshallen nicht wiederstehen können und so kam es, dass auch wir uns bei Tagesanbruch auf den Weg machten um die bunte Kulisse in Bildern festzuhalten.
Das alte Gelände soll in eine Wasserstadt verwandelt werden. Doch bis heute wurde lediglich der Boden vorbereitet. Die Anwohner wehren sich gegen die Pläne.
Das Interessante: Weder die Stadt Hannover noch die Investoren der Wasserstadt scheinen sich nun für die Sicherheit des Geländes verantwortlich zu fühlen. Ich vermute, dass es an dem komplizierten Besitzrecht-Konstrukt liegt, welches die Stadt mit dem Verkauf an die Investoren - eine Eigentümer-GmbH - abgab, natürlich zu unser aller Freude, denn sonst wären so schöne Graffitys und die damit verbundene Magie nicht möglich.
Fast täglich sehe ich Menschen auf und in dem Gebäude. Teilweise sind auch abends Kerzenlichter zu sehen. Wir sahen uns also veranlasst, selbst zu schauen was die Leute hier her zieht. Und tatsächlich. Kaum hatten wir das Gebäude betreten, erschien alles andere unwichtig. Es gab nur die Fabrik und uns. Ein besonderes - wenn auch nicht ganz ungefährliches - Erlebnis. Überall ragen rostige Nägel und Holzreste aus Wänden, Dächern und Böden. Das Gebäude ist von Kopf bis Fuß von der Natur in Beschlag genommen worden. Bäume und Sträucher schmücken überall die kahlen Gemäuer. Unzählige Graffitys, ständig in Bewegung. Eine faszinierende, sich ständig verändernde Bilderlandschaft für Fotografen.
Im Erdgeschoss wirkt zunächst alles wie eine riesige Sporthalle. Schnell wird aber klar, hier haben riesige Maschinen gearbeitet. Ruß frisst sich durch die Decke und Aussparungen ehemaliger Produktionsanlagen und Öfen reißen nun Löcher in den sowieso schon morschen Fußboden. Das Dach des Gebäudes ist schnell erreicht und bietet eine durchaus sehenswerte Aussicht.
Fakt ist: Wer sich hier umsehen möchte, sollte vorsichtig sein. Niemand wird sich für einen Schaden verantwortlich sehen und niemand bekommt es mit, sollte einem etwas zustoßen.
Das Gelände hat seinen Reiz, auch wenn nicht mehr viel davon übrig ist. Es bleibt abzuwarten, was hier weiter passiert. Ein neues Wohngebiet finde ich ehrlichgesagt bei weitem weniger interessant als ein Gebäude, welches über Jahrhunderte von der Natur zurückerobert wird und an dessen Geschichte sich Generationen erinnern.
Das Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz und ist - wie ich finde - ein gutes Beispiel dafür, dass sich echte Kreativität und Freiheit nur ohne Verbote und Gesetze richtig entfalten können und dies auch ohne äußeren Einfluss tun und dass der Mensch sich seine Freiheit nicht nehmen lässt. Ein Stück der Welt, welches sich den menschlichen Regeln entzieht und völlig unbeeindruckt bleibt.